Birgit Reinemund [FDP]

Sehr geehrter Herr Heidt!

Zunächst herzlichen Dank für Ihre Anfrage bezüglich der Erweiterung von Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürger am politischen Prozeß.

Lassen Sie mich vorab festhalten, daß ich aus Überzeugung ein Anhänger der parlamentarischen Demokratie bin. Diese Regierungsform hat zusammen mit dem so überaus bedeutsamen Rechtsstaat unserem Land eine in seiner Geschichte einmalige Erfolgsgeschichte bereitet.

In den letzten Jahren beobachten wir jedoch leider eine zunehmende Distanz und Entfremdung zwischen den Bürgern und ihrem Staat und damit letztlich auch der Demokratie. Diese Entwicklung spiegelt sich nicht nur in der tendenziell sinkenden Wahlbeteiligung, sondern auch in der nachlassenden Bereitschaft, sich beispielsweise einzubringen als ehrenamtlicher Wahlhelfer oder als streitbares Mitglied in einer demokratischen Partei.

Das beste Mittel gegen die Entfremdung zwischen Bürger und Staat und eine mögliche Delegitimierung der Demokratie ist eine überzeugende und glaubwürdige Politik samt einer rationalen Streitkultur.

Jedoch müssen wir auch die Regeln des politischen Prozesses überdenken. Aus diesem Grund setzt sich die FDP ein für eine Ergänzung unserer repräsentativen Demokratie durch Elemente direkter Demokratie. So wollen wir Bürgerentscheide, Bürgerbegehren und Bürgerbefragungen auf Landes- und Bundesebene; auf kommunaler Ebene gibt es solche Instrumente ja bereits weithin.

Auch auf europäischer Ebene ist übrigens eine verbesserte Bürgerbeteiligung erforderlich.

Über diese Vorschläge hinaus plädiere ich für mehr Transparenz des politischen Prozesses durch Stärkung der Informationsrechte von Bürgern gegenüber staatlichen Bürokratien jedweder Art. Bisherige Anstrengungen in diesem Zusammenhang haben sich als ungenügend herausgestellt.

Auch halte ich eine stärkere Mitwirkung der Bürger an der Auswahl politischen Führungspersonals für erwägenswert. So könnte man beispielsweise bei Landeslisten zur Bundestagswahl den Bürgern durch Stimmenhäufung (Kumulieren) größeren Einfluß auf die Zusammensetzung des Bundestages einräumen.

Zu bedenken wäre auch, inwieweit die modernen Kommunikationstechnologien zur stärkeren Beteiligung und Mitwirkung der Bürger genutzt werden können.

Damit die zweite deutsche Demokratie auf der Erfolgsspur bleibt, ist eine Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen unerläßlich. Bei allen Modifikationen des politischen Prozesses müssen jedoch deren Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit des Regierungssystems sowie die Machtbalance zwischen den Verfassungsorganen sorgsam bedacht werden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Birgit Reinemund
FDP Bundestagskandidatin für Mannheim, Wahlkreis 275

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