Petitionsinitiative 1989 - 2009 - Vorbemerkungen

Petitionsinitiative 1989 – 2009

Die an den 17. Deutschen Bundestag gerichteten
drei Forderungen der Petition »Die Demokratie verwirklichen«

I. Vorbemerkungen. Wir stehen mit dem Beginn der Legislatur des 17. Deutschen Bundestags im Herbst 2009 an einer Schwelle, die Anlass gibt, erneut und besonders die Aufmerksamkeit auf einen entscheidenden Punkt der Verfassung der Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland zu lenken. Aus der Sicht der »Initiative 1989 – 2009« – sie ist die Trägerin der Petition – handelt es sich um den Kardinalpunkt der Demokratiefrage, an dem sich so oder so die Zukunft unseres Gemeinwesens mehr entscheiden wird als an allen anderen Fragen.

I.1 Wir wissen, dass das im deutschen Volk, von seinen politischen Repräsentanten, seinen dominierenden gesellschaftlichen Kräften, intellektuellen Wortführern und nach dem überwiegenden Verständnis der in den Medien vertretenen Sicht der Dinge noch nicht so gesehen wird, auch noch gar nicht so gesehen werden kann, weil diese Sicht weder in der Forschung, noch in der Publizistik, noch in der pädagogischen oder volkspädagogischen Vermittlung Beachtung gefunden hat. Obwohl starke zivilgesellschaftliche Aktivitäten seit 1984 aus historischen Zusammenhängen und zeitgeschichtlichen Entwicklungen beharrlich daran gearbeitet haben:

Mit mehreren an den Bundestag gerichteten Petitionen, zahlreichen Publikationen und seit über einem Jahrzehnt wurde und wird auch im Internet über die in dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnisse aufgeklärt und versucht, die Aufmerksamkeit auf die damit gestellten politischen Gestaltungsaufgaben zu lenken, wie sie aus den im Grundgesetz Art. 20 Abs. 2 vorgegebenen Rechtsnormen ersichtlich und nach der Rechtslogik der Verfassung auch verbindlicher Gestaltungsauftrag sind. Doch all dies hat das zuständige Verfassungsorgan, den Deutschen Bundestag, nicht dazu bewegen können – um eine Redewendung des Bundestagspräsidenten Prof. Dr. Norbert Lammert aus seiner Antrittsrede vom 27. Oktober 2009 aufzugreifen –, seine durch Jahrzehnte »mit souveräner Sturheit« [in] durchgehaltene Ignoranz gegenüber dieser Frage aufzugeben und sich ernsthaft und im Dialog mit den Initianten aus der Zivilgesellschaft mit dem Gegenstand zu befassen. »Trotzalledem, trotzalledem« [Ferdinand Freiligrath] sind wir nicht verzagt, sondern hegen die Erwartung, dass dieses Verhalten jetzt zu Ende sein möge.

I.2 Nun ist aber nicht nur durch den Beginn einer neuen Legislaturperiode eine Schwellensituation gegeben, die es nahe legt, erneut den Blick auf diese unerledigte Aufgabe zu lenken, sondern auch wegen zweier weiterer Gesichtspunkte:

I.2.1 Zum einen hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 30. Juni [im Kontext seiner Beanstandungen an den deutschen Begleitgesetzen zum Lissaboner Re­formvertrag der EU] indirekt auch explizit zu der Kardinalfrage, um die es hier geht, in einer Weise Stellung genommen, wie das bisher noch nie der Fall war. Es hat dabei diejenige Sicht bestärkt, wie wir sie in unserer Arbeit von Anfang an vertreten und rechtslogisch begründet haben [siehe unten Ziff.II.] – gegen alle Rabulistik der herrschenden Lehre der Zunft, die von den Politikern nur allzu bereitwillig durch Jahrzehnte hindurch – aus ideologischer Befangenheit wider alle Rechtslogik – vertreten und verteidigt wurde.

I.2.2 Zum andern werden wir 2009 mit einer Flut von Rückblicken überschüttet, die uns an wichtige Stationen und Weichenstellungen der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert – um hier nur die Jahre 1919, 1939, 1949 und 1989 zu nennen – erinnern sollen. So lobenswert das an sich ist, diese Übungen sind leider nur in den seltensten Fällen geeignet, über vordergründige Fakten und subjektive Erzählungen Beteiligter hinaus etwas für tiefergehendes Verstehen historischer Zusammenhänge Relevantes beizutragen. Doch es erschien uns dieser Anlass insofern der Beachtung wert, als wir zu der Ansicht gekommen sind, es könne nicht schaden, dazu eine Art Kontrapunkt hinzuzufügen, einen Kontrapunkt, zu dem uns unsere Forschungen geführt haben. Einen Kontrapunkt, von dem her sich ein ganz anderes Geschichtsbild ergibt, als es all die Retrospektiven und persönlich gefärbten Anekdoten zeichnen und in deren Panoramen durchwegs alles fehlt, was in unserem Verständnis der Phänomene als das Wesentliche erscheint.

I.3 Auch und besonders deshalb, weil wir in den Ereignissen des Epochenjahres 1989 im damaligen Zeitgeschehen selbst mit einem zivilgesellschaftlich initiierten deutsch-deutschen Brückenprojekt –sein Kürzel war »D 89« – in der BRD und in der DDR zu deren jeweiligen 40. Gründungstagen nicht nur Zeitzeugen, sondern federführend aktiv waren. Bei diesem Doppelprojekt ging es am Kardinalpunkt der Frage und Aufgabe [= Pylonfunktion], auf den auch jetzt wieder in der Petition 2009 die Aufmerksamkeit gelenkt ist, um den Versuch, aus den ureigensten Quellen der ideologischen, staatsrechtlichen und historisch-faktischen Staatsraison beider deutscher Staaten, für eine Brücke über die Mauer auf beiden Seiten ein gemeinsames demokratiepolitisches und verfassungsrechtliches Fundament zu verankern und auf diesem dann von beiden Seiten her Schritt für Schritt zeitgemäße systemische Transformationsprozesse auf den [dritten] Weg zu bringen [die wichtigsten Elemente und Veröffentlichungen dieses Projektes sind jetzt wieder zugänglich in dem Buch »Wie Goethe & Schiller versuchten, 1989 die DDR zu retten und neu zu gründen«; Prospekt anbei; wir empfehlen es Ihrer interessierten Aufmerksamkeit].

Obwohl auch darüber bereits 1989 manches publiziert wurde – z. B. Bücher, Zeitschriften- und Presseartikel – und sogar offizielle Vorgänge, die dokumentiert und archiviert sind, einerseits im Bundestag und andererseits in der Volkskammer stattfanden, findet eben dieses singuläre Projekt bisher in keinem einzigen medialen oder politischen Rückblick auf das Jahr 1989 Berücksichtigung. So wird in Deutschland Geschichte verkürzt reflektiert, man könnte auch sagen: manipuliert. Ist das das Ideal von »Freiheit« und »Demokratie« oder wird dieses inter­essenbedingt bzw. aus purer Oberflächlichkeit so praktiziert? Auch deshalb tut not, was wir mit der Petition »Die Demokratie verwirklichen« zu ändern anstoßen wollen.

I.4 Diese originären Gesichtspunkte, für die wir – wie es heute im parteipolitischen Reden so gerne »ehrgeizig« formuliert wird – das »Alleinstellungsmerkmal« beanspruchen können, haben wir im Vorfeld der Bundestagswahl [27. September 2009] mit einer Aktion persönlich an alle Wahlbewerberinnen und -bewerber adressiert herangetragen und im Internet auf www.volksgesetzgebung-jetzt.de dokumentiert. Wir wählten für diese Aktion das szenische Motiv aus Goethes Faust I: Die »Gretchenfrage« und bezogen diese auf die Petition, wie sie jetzt dem 17. Deutschen Bundestag offiziell zum 9. November 2009 vorliegt [in der Flugschrift Nr. 2 und a. a. O. im Internet dokumentiert]. So sind alle aktuellen Abgeordneten von unserer Seite bestens vorbereitet worden, um sich in der Auseinandersetzung mit unseren Vorschlägen und deren Begründung ein sachorientiertes Urteil bilden zu können. Ob sie es tun werden ist nun ihrer Verantwortung anheim gestellt.

I.5 Um aber möglichst zu vermeiden, dass sich wiederholt, was sich bei doch recht vielen Antworten derjenigen zeigte, die uns auf die Gretchenfrage geantwortet haben – dokumentiert auf der Diskursseite www.volksgesetzgebung-jetzt.de/newsblog –, dass sie nämlich a. oft nicht verstanden hatten, worauf sich die Frage genau bezog, und b. obendrein lediglich Zettelka­stenantworten auf Schlagwörter gegeben wurden, mit denen wir wahrlich nichts zu tun haben, wollen wir nochmals ausdrücklich auf den Charakter der »Initiative 1989 – 2009« hinweisen: Sie legt einen sowohl anthropologisch, wie sozialwissenschaftlich, wie staats- und verfassungsrechtlich begründeten Vorschlag zur zeitgemäßen Gestaltung der »dreistufigen Volksgesetzgebung« vor und bettet diesen insbesondere in die einschlägig relevanten Entwicklungen der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts und ihre Wurzeln im neunzehnten ein.

I.6 Wir vermeiden dabei jede Verkürzung auf populistische Schlagwörter, wie sie leider von anderen Seiten in Umlauf gesetzt sind. Und wir argumentieren aus dem in der BRD grundgesetzlich angelegten aber bisher noch nicht authentisch entfalteten ordnungspolitischen Grundbild einer »komplementär-partizipatorischen Demokratieauffassung«, wie sie jetzt erstmals auch in dem erwähnten Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 30. Juni 2009 gültig festgestellt ist; komplementär bedeutet hierbei, dass das Demokratieprinzip nach der deutschen Verfassung zwei Grundelemente verbindet: das parlamentarische und das plebiszitäre; partizipatorisch sind beide.

I.7 Wer, wie es ja stereotyp meistens geschieht, behauptet, die Demokratie der BRD sei – auf Bundesebene jedenfalls – eine »nur-parlamentarische«, unterschlägt daher eines der beiden Grundprinzipien des »deutschen Verfassungsrechts« [BVerfG a.a.O.]; er spricht verfassungswidrig! [Siehe im Heft Aktion »Gretchenfrage« Seite 5 sowie mit den ausführlichen Begründungen in den Texten des Buches »Wie Goethe & Schiller 1989 die DDR retten und neu gründen wollten«]. Wir bitten dies bei der parlamentarischen Beratung unserer Vorschläge gebührend zu beachten.

›› Weiter zur 1. Forderung