Skandal und Aufklärung

Die »Gretchenfrage« zur Bundestagswahl am 27. September 2009

Der große Skandal – und seine Aufklärung

Warum verweigerte der Bundestag bisher, das Demokratieprinzip
des Grundgesetzes Artikel 20 Absatz 2 vollständig zu verwirklichen?*)

Kein populistischer

»Offener Brief« an alle Wähler und die zu Wählenden

Der sog. Wahlkampf der Parteien liegt hinter uns. Wir wollen darauf verzichten zu kommentieren, was dabei und darüber alles gesagt und geschrieben worden ist. Ob die Wählerinnen und Wähler nun erfahren haben, was wenigstens in den großen Linien vom 17. Deutschen Bundestag, seiner Legislative und Exekutive, zu erwarten ist? Auch dazu bedarf es unseres Urteils nicht; jeder mündige Bürger und jede mündige Bürgerin wird die für sie maßgebende Sicht der Dinge haben.

Uns, als einer gemeinnützigen Bürgerinitiative ohne Parteibindung, geht es hier um ein anderes:

1. um eine Aufklärung, 2. um einen Vorschlag und 3. um einen Aufruf zur Beteiligung an dem Projekt, die Demokratie zeitgemäß zu konstituieren.

1. Die Aufklärung. Wir alle haben es durch die Jahre immer wieder aus dem Munde der Politiker gehört: Unser Land sei eine »parlamentarische Demo­kra­tie«, so bestimme es das Grundgesetz. Schätzungsweise 99% haben diese Ideologie geglaubt. Jetzt aber hat das Bundesverfassungs­gericht in seinem Urteil vom 30. 6. 09, die Begleitgesetze zum Lissabon-Vertrag betreffend, mit Hin­weis auf GG Art. 20 Abs. 2 folgendes festgestellt: »Das Recht der Bürger, in Freiheit und Gleichheit durch Wahlen und Abstimmungen die öffentliche Gewalt personell und sachlich zu bestimmen, ist der elementare Bestandteil des Demokratieprinzips.« [Ziff. 211 im Urteil]

Wenn das stimmt – wir haben aus dieser Erkenntnis dem Deutschen Bundestag seit 1984 bis heute 8 Petitionen vorgelegt und gefordert, daraus die gesetzgeberischen Konsequenzen zu ziehen, um dem Souverän, dem Volk, sein direktdemokratisches Abstimmungsrecht nicht länger vorzuenthalten; sie wurden jedes Mal abgelehnt, – also: wenn das stimmt, dann heißt das, dass die Volksvertretung seit 60 Jahren bis heute ignoriert und sich seit einem Vierteljahrhundert bewusst geweigert hat, dem deutschen Volk das vornehm­ste demokratische Recht verfügbar zu machen, sein Schicksal nicht nur mittels Wahlen in die Hände der Volksvertreter zu legen, sondern es auch souverän in seine eigene Hand zu nehmen, um selbst bestimmen zu können, wohin der Weg gehen soll. Diese Weigerung, das Demokratieprinzip vollständig so zu verwirklichen, wie es das Grundgesetz [s.o.] verlangt, ist der große Skandal in unserem Staatswesen, demgegenüber alle anderen Skan­dale Skandälchen sind. Auch keines der Massenmedien hat darüber je wirklich aufgeklärt, u. a. deshalb die große Unwissenheit über diesen großen Skandal.

2. Der Vorschlag. Nachdem alle bisherigen Bemühungen gescheitert sind, das Problem, das ja die eigentliche Ursache ist für alle Frustrationssymptome über den Zustand der politischen Verhältnisse hierzulande, zu lösen, haben wir uns zu dem Schritt entschlossen, anlässlich der Bundestagswahl 2009 allen Bewerberinnen und Bewerbern für ein Parlamentsmandat die »Gretchenfrage« zu stellen: »Wie haltet ihr’s mit der Bürgerschaftsdemokratie?« Diese Frage, die ja die grundlegende politische »Gewissens« – bzw. »Ver­­trauensfrage« ist, steht in Verbindung mit unserer an den neuen Bundestag gerichteten Petitionsinitiative »Endlich das Demokratieprinzip vollstän­dig verwirklichen«. Der gesamte Text der Petitionsschrift ist auf der Homepage www.volksgesetzgebung-jetzt.de/petition-09/hauptteil publiziert.

An dieser Stelle veröffentlichen wir nur die Kriterien, wie wir meinen, dass das Abstimmungsrecht des Volkes verfassungsrechtlich zeitgemäß ausgestaltet werden müsste, um so ergriffen werden zu können, dass es sich für das soziale Ganze – politisch, ökonomisch, monetär und kulturell – heilsam auswirken kann. Die Begründung steht im oben angegebenen Link.

Obwohl durch unsere Arbeit und die Arbeit von einigen dadurch angeregten anderen Organisationen inzwischen vier der bisherigen Bundestagsfraktionen zur Ausgestaltung der Volksgesetzgebung eigene Gesetzentwürfe ins Spiel brachten – ohne sich dabei aber erkennbar mit unserem Vorschlag gründlicher befasst zu haben – aber keine von ihnen in der letzten Legislatur ernsthaft für dieses überragende Ziel gekämpft hat, um den Widerstand der CDU/CSU zu brechen und vor allem auch die Öffentlichkeit dafür zu mobilisieren, haben wir kein Vertrauen mehr, dass es im 17. Deutschen Bundestag besser werden würde.

Die vier unabdingbaren Kriterien der Petition,
den großen Skandal zu beseitigen

Die Forderung der Petition an die Volksvertretung ist, jetzt unverzüglich ein Gesetz zu beschließen, das nach umfassender Information und gesellschaftlicher Diskussion einen Bürgerschaftsentscheid über das nach­stehende Verfassungsgesetz ermöglicht und dergestalt die im Artikel 20 des Grundgesetzes nor­ma­tiv veranlagte komplementär-demokratische Grundordnung verwirklicht. Der Bürgerschaftsentscheid soll feststellen, ob die Mehrheit der folgenden Regelung zustimmen will:

Die stimmberechtigten Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland haben das Recht,

1. aus ihrer Mitte jederzeit Gesetzesinitiativen zu den Entwicklungen der gesellschaftlichen Lebensgebiete zu ergreifen und diese Initiativen – mit einer bestimmten Anzahl sie unter­stützender Stimmberechtigter – in den parlamentarischen Gesetzgebungsprozess einzubrin­gen.

2. Wenn das Parlament diese Initiativen nicht beschließt, müssen diese die Möglichkeit haben, ein Bürgerschaftsbegehren einzuleiten.

3. Erreicht dieses innerhalb der Dauer der Unterzeichnungskampagne die erforderliche Zahl zustimmender Unterschriften Stimmberechtigter, findet innerhalb einer Frist von mindestens einem halben und höchstens einem Jahr ein Bürgerschaftsentscheid statt. Es gilt die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Das Beschlossene tritt in Kraft.

4. Medienbedingung. In den Monaten zwischen dem erfolgreich abgeschlossenen Bürgerschaftsbe­gehren und dem Bürgerschaftsentscheid hat das Pro und das Kontra zum Abstimmungsgegenstand im öffentlichen Diskurs in allen Massenmedien das gleiche Recht zur Darstellung seiner Argumente. Ein Ombudsrat, gebildet aus Vertretern der Medien und Vertretern der jeweiligen Initiative sowie einer vom Bundespräsidenten berufenen Mediatorengruppe ist für die Gestaltung des Prozesses der Information und Diskussion verantwortlich.

5. Das Nähere bestimmt ein Ausführungsgesetz.

 

Deshalb verlangt unsere neue, jetzt vorliegende Petition, dass im ersten Schritt über die im nebenstehenden Kasten genannten Kriterien nicht mehr die Volksvertretung, sondern das Volk selbst entscheiden soll. Das kann durch ein einfaches Bundesgesetz ermöglicht werden. Wir hätten nichts dagegen einzuwenden, wenn zu unserem Gestaltungsvorschlag auch noch Alternativen zur Volksabstimmung kämen, wenn es solche geben sollte.

3. Aufruf zur Beteiligung. Wir wenden uns mit diesem »Offenen Brief« zugleich auch an alle Wahlberechtigten, denn letztlich wird es von ihnen abhängen, ob die Demokratie in unserem Land endlich so verwirklicht werden wird, wie es die Verfassung bestimmt. Sie bestimmt nicht die nurparlamentarische, wie man uns jahrzehntelang vorgegaukelt hat, sondern die komplementäre Demokratie, das produktive Zusammenwirken von Volk [direkte Volksgesetzgebung] und Volks­­ver­tretung [Parlamentarismus]; Näheres da­zu im oben angegebenen Link.

Nach unserer langjährigen Erfahrung im Kampf für dieses Ziel, wird es nur eine Kraft geben, es sach- und zeitgemäß gestaltet zu erreichen: Die möglichst große Zahl der mündigen Bürgerinnen und Bürger, die sich dafür einsetzen. Wir bereiten dafür die Petition an den 17. Deutschen Bundestag als »Öffentliche Petition« vor. Diese wollen wir dann auf der entsprechenden Seite des Bundestages zur Mitzeichnung publizieren, wenn der neue Bundestag sich konstituiert hat.

3.1 Um diesen Schritt vorzubereiten steht für alle, die sich schon im Vorfeld beteiligen wollen, um ab sofort über den weiteren Verlauf informiert werden zu können, als Aufbauinitiative zur Mitzeich­­nung die Aktions-Seite www.volksgesetzgebung-jetzt.de/aktion/aufbauinitiative-mitzeichnung zur Verfügung.

Helfen Sie bitte mit, dass diese Aktion für die lebendige Demokratie, in der die Parteien zwar, wie es das Grundgesetz in Art. 21 vorsieht, an der »politischen Willensbildung des Volkes mitwirken« sollen, dann aber nicht mehr die dominierende erste Geige spielen, sondern das Volk stets der wirkliche Gesamtsouverän sein und bleiben kann – und nicht nur alle vier Jahre mit einem Kreuzchen auf dem Wahlzettel sein Souveränitätsrecht nolens volens an die Parteien abliefern muss. Bisher wahrlich ein Kreuz mit diesem Kreuzchen!

3.2 Wir können das gemeinsam ändern, wenn wir nur wollen und uns zur Mitzeichnung vereinigen. Denn: »Ein Einzelner hilft nicht, sondern wer sich mit vielen zur rechten Stunde vereinigt.« [aus Goethes »Märchen«]

Wie wir eingangs bereits sagten: Wir sind eine gemeinnützige Bürgerinitiative und wollen uns bewusst nicht am Machtgerangel des Parlamentarismus um die Ausübung der Exekutive beteiligen. Der Parlamentarismus ist gewiss notwendig. Aber er ist in Deutsch­land verfassungsrechtlich an das gebunden, was man den Popularvorbehalt nennt. Dieser jedoch wurde, obwohl Verfassungsgebot, bisher von der Volksvertretung ignoriert, dem Souverän vorent­halten. Wir mei­nen, die Zeit ist gekommen, mit dieser Ver­wei­ge­rungsstrategie jetzt Schluss zu machen.

3.3 Das wird aber um sehr eher zu erreichen sein, um so mehr Bürgerinnen und Bürger dieses Ziel unterstützen. Wir haben dafür auf der Seite www.volksgesetzgebung-jetzt.de/aktion/aufbauinitiative-mitzeichnung eine Liste zur Mitzeichnung geöffnet. Hier können sich alle beteiligen, die in dem Vorschlag der Petitionsinitiative einen richtigen Weg erkennen können, das Souveränitätsrecht der Bürgerschaft zeitgemäß zu gestalten, auch wenn sie nicht das Wahlrecht in Deutschland besitzen. Geht es doch hier im eine Notwendigkeit in allen Demokratien der Welt, die sich auf wahrer Volkssouveränität gründen wollen. Insofern ist die ganze »Kulturwelt« eingeladen, sich auf dieser Seite zu versammeln. Die Eintragungen werden publiziert und vor der Abstimmung über die Petition dem Präsidium des Deutschen Bundestages übergeben als des Finales letzter Takt.**)

Im Interesse des Gemeinwillens: Herzlichen Dank für alle Unterstützung.

*) Die im Titel gestellte Frage wollten wir bewusst nicht explizit beantworten, aber um so deutlicher die entsprechenden Urteilsgrundlagen mitteilen, was geschehen müsste zur Überwindung des Problems.

**) Es wäre prima, wenn dieses Projekt auch Menschen in anderen Länder anregen würde, für den hier vorgeschlagenen Weg auch dort aktiv zu werden.

Für die Petitions-Initiative »Volksgesetzgebung-jetzt«: Jochen Abeling, Ioana Cosman, Peter Frank, Werner Grauberger, Wilfried Heidt, Paul Hölzl, Alfred Groff, Ines Kanka, Martin Koch, Timm Lemcke, Gerhard Meister, Sabine Münzebrock, Elfriede Nehls, Zsoka Pathy, Henrike und Ralf Polduwe, Ole Puppe, Peter Schata, Uwe Scheibelhut, Peter Schlefsky, Rolf Schiek, Gerhard Schuster, Tassilo Seidl-Zellbrugg, Loes Swart, Franck Torrin, Peter Weilacher, Hermann Willanzheimer, Josef Zeisel

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